Leute, Leute, Leute... Vergessen wir mal den Sonntag und Montag - da sind wir eh nur umher gefahren, mal nach Süden, mal nach Norden und haben uns ein paar schöne Ecken (Leuchttürme, Wasserfälle etc.) angeguckt. Am Montagabend haben wir in unserer Unterkunft auf dem Mount Pleasant in Christchurch eingecheckt. Wir waren alle nicht sehr begeistert von der Unterkunft mit "Kellerwohnungsflair" und der etwas schroffen älteren Engländerin, sodass Silvia noch am gleichen Abend über unseren Reiseanbieter Umfulana eine Umbuchung auf eine andere Unterkunft arrangiert hat.
Am nächsten Morgen, sprich gestern (Dienstag), verließen wir unsere Wohnung, um im Stadtteil Riccarton in "Lorenzo's Motor Lodge" einzuchecken. Diese Unterkunft war schön zentral gelegen neben dem Stadtpark von Christchurch und nur 15 min. Fußweg vom Stadtzentrum entfernt. Nach dem Einchecken machten wir uns also zu Fuß auf in die City, ein bisschen Sightseeing betreiben. Die beste Möglichkeit dies hier zu tun, ist eine Runde mit der alten Tram (Straßenbahn) zu drehen, die einen an den Sehenswürdigkeiten vorbeifährt und noch dazu kommentiert.
Wir stiegen am Art Centre ein, fuhren genau eine Runde mit und hätten die nächste Station wieder aussteigen müssen, als wir gerade den Cathedral Square (Stadtkern) passierten und die Tram plötzlich zu poltern und schwanken begann, als wenn sie über irgendetwas Großes aus Versehen drübergefahren wäre. Doch dann schweifte unser Blick aus dem rechten Fenster und wir konnten unseren Augen nicht glauben: Wie im Film sahen wir ein altes Hochhaus, das hin und her schwankte und schließlich in sich wie ein Kartenhaus zusammenbrach, während wir in der Tram immer noch durchgeschüttelt wurden bis der Fahrer ein lautet "JESUS!" rief, sich an den Armaturen festklammerte und die Türen öffnete, um alle aussteigen zu lassen. Lautes Poltern und Grollen, Schreie, Straubwolken, Menschen, die aus den Gebäuden auf den Square strömten. Alles lief wie ein Film vor uns ab und keiner von uns realisierte in dem Moment, was hier gerade wirklich geschehen ist bzw. immer noch geschieht.
Als wir drei die Straßenbahn verließen, um uns der Menschenmenge auf dem Platz anzuschließen, sahen wir schockiert auf die Cathedral, an der wir gerade noch vorbeigefahren waren und Fotos geschossen hatten, die nun in Schutt und Asche lag. Davor ein unter den Trümmern begrabenes Auto. Unser Blick schweifte einmal um den ganzen Platz und nach und nach erkannten wir immer mehr das Ausmaß der Zerstörung. Eine alte Dachkuppel, die in unmittelbarer Nähe zur Tram stand, hatte starke Risse bekommen und wird wohl durch die vielen Aftershocks (Nachbeben), die noch gekommen sind, mittlerweile abgestürzt sein.
Ein paar Aftershocks später wurde der Stadtkern evakuiert, Menschenmassen bahnten sich einen Weg durch die Trümmer in die äußeren Stadtbezirke - und wir mittendrin. Auf unserem Weg, der eher einem Umherirren durch eine Geisterstadt glich, sahen wir noch unzählige eingestürzte Gebäude, Unmengen an vulkanischem Matsch, der überall aus dem Boden hervorquirlte, große Risse und Verschiebungen im Asphalt und zersprungene Glasscheiben in nahezu allen Gebäuden. Aufgrund zahlreicher Gaslecks mussten wir immer wieder Umwege in Kauf nehmen und konnten uns glücklicherweise bei ein paar Jugendlichen, die einen funktionierenden Fernseher vor ihr kaputtes Haus gestellt hatten, mit den ersten Nachrichten versorgen. Erdbebenstärke 6.3, das Epizentrum nur 5 km unter dem Mount Pleasant, wo wir glücklicherweise noch am Morgen ausgecheckt hatten. Die Gegend dort wird wohl jetzt unbewohnbar geworden sein. Manche Stadtbezirke wurden komplett überflutet. Zufahrtsstraßen sind vielerorts unpassierbar geworden. Die Zahl der bestätigten Todesopfer beträgt momentan 65, könnte aber noch auf eine Zahl von mindestens 200-400 Menschen steigen, da Hunderte noch in den Trümmern vermutet werden.
Als wir gerade wieder unseren Stadtplan zücken, spricht uns eine nette Neuseeländerin an, um uns ihre Hilfe anzubieten, Eliza. Eliza wohnt nur ein paar Blocks entfernt und verspricht uns, uns zu unserer Wohnung zu fahren, sobald der Verkehr dies irgendwie zulassen würde. Bis dahin könnten wir bei ihr warten und uns mit Essen und Trinken versorgen - vorausgesetzt ihr Haus steht noch. Und es stand noch - ein Glück! Sie hat ein sehr modernes Haus (Ironie des Lebens: für den morgigen Tag war ein Termin mit dem Erbeben-Inspekteur angesetzt), doch in diesem Haus sah es dennoch aus wie nach einem Bombenangriff. Kein Strom, kein Wasser, Fernseher heile, Mikrowelle nicht. Aber das Telefon ging noch. Nach ein paar erschreckend starken Nachbeben (Stärke 5+) entschließen wir uns, fortan im Hinterhof auf Gartenstühlen zu verweilen bis sich der rege Flucht- und Rettungsverkehr etwas beruhigt hat. Eliza hat bereits die letzten zwei großen Beben erlebt und schafft es ganz gut, uns durch ihre ruhige Art und ihren Kiwi-Humor etwas zu beruhigen. Ihr graust es bloß vor dem Aufräumen ihrer Wohnung und sie macht sich um nichts mehr Sorgen, als dass es in ihrer Küche nach gemischten Alkoholsorten riecht und ihre tolle rote Mikrowelle nun Schrott ist.
Immer wieder hören wir Helikopter über der Stadt kreisen, die teilweise damit beschäftigt sind, ein Großfeuer im Stadtzentrum aus der Luft zu löschen. Es riecht nach Rauch. Krankenwagen und Polizei flitzen regelmäßig vor dem Haus vorbei, während wir wieder und wieder die Erde rumoren hören und leichte Beben verspüren. Gut 1,5 Stunden später will Eliza den Versuch starten, uns zu unserer Unterkunft zu fahren, die das Beben hoffentlich überlebt hat. Wir brauchen zwar durch die vielen Umwege eine halbe Ewigkeit, doch schafften es letztendlich tatsächlich, heile bei der Wohnung anzukommen. Unser Auto hat's auch überlebt. Gott sei Dank! Also Koffer packen, Motelzimmer in Blenheim reservieren und nichts wie raus aus der Stadt. Unser Benzin reicht nur noch für ca. 250 km - unser Zielort ist jedoch 300 km weit entfernt und es ist mittlerweile schon 17.30 Uhr. In Christchurch selbst sind eh alle Tankstellen geschlossen, also versuchen wir unser Glück weiter außerhalb. Doch vor den ersten Tankstellen, die noch geöffnet haben, haben sich bereits lange Schlangen gebildet, sodass viele recht schnell komplett "leergetankt" waren. Einige Kilometer weiter dann die erlösende Tankstelle, bei der es klappte - auch einige Ambulanzfahrzeuge nutzten die Gelegenheit, hier noch einmal aufzutanken, bevor sie wieder in den Stadtkern von Christchurch zurückfahren würden.
Rainer fuhr dann die ganze fünfstündige Strecke an der Ostküste entlang Richtung Norden, bis wir schließlich um 22.30 Uhr nach einem kurzen Stop bei McDonald's (unsere 1. "richtige" Mahlzeit für heute) in unserer Unterkunft in Blenheim ankamen. SCHLAFEN.
Am heutigen Morgen bemühte sich Silvia dann um die Umbuchung unseres Rückflugs, der eigentlich von Christchurch starten sollte, da wir dort ganz bestimmt nicht noch einmal runterfahren werden - selbst wenn der Flughafen bis dahin wieder geöffnet hat. Man rechnet mit mehr oder weniger starken Nachbeben noch monatelang. Mittlerweile haben wir einen Alternativflug von Auckland ausgehend gebucht und sind heute noch weiter nach Nelson gefahren, von wo aus wir morgen Abend hoffentlich im Flieger nach Auckland sitzen werden.
Falls ihr Bilder in diesem Blog erwartet habt: Schaltet den Fernseher ein oder guckt euch die Fotostrecke auf Spiegel Online an... die Tram, die dort abgebildet ist, ist die, in der wir Sekunden vorher noch saßen.
Ohne Kommentar!!
AntwortenLöschenWir warten und sind glücklich, bis bald!
Viele Grüsse! Sylvia und Ernst
Wir sagen nur: "Glück im Unglück"!
AntwortenLöschenBeim Erzählen und Lesen haben wir das große Zittern bekommen - sind jetzt aber doch überglücklich, wie Ihr da rausgekommen seid!!!
Ufffffffffffffffffff!!!!!!!!!!
Versucht, Euch noch etwas zu entspannen!!!
Ooooooooooooooooooommmmmmmmmmmmmmmmmmm!!!
Wir warten sehnsüchtig darauf, Euch wieder in die Arme zu schließen und dolle zu knuddeln!!!! :o) :o)
Mama-Kiki und Papa-Siggi
Hallo ihr drei, das war ein riesiger Schrek zu hören das die Erde bei euch gebebt hat, dann im Fernsehen zu hören wo es genau war. Ich bin so froh zu lesen das es euch gut geht. Kommt jetzt bloß nach Hause. Freue mich jetzt schon euch zu drücken.
AntwortenLöschenLiebe GRüße aus dem kalten Sichtigvor, eure Heike!!!!!!
Hey Leute , ich glaube der 22 Februar wird
AntwortenLöscheneuer zweiter Geburtstagstermin. Man kann es kaum fassen . Bohhh krass 1111
So und jetzt Zähne putzen und ab in den Flieger.
Wir warten schon sehnsüchtig auf Euch !
Gruß Andy & Käthe